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Der Millikan'sche Öltröpfchenversuch
Nachweis und Messung der Elementarladung

Henning Hörstermann (Experimentator) - Ingolf Jandt (Protokollant)


Contents

Vorbemerkungen

Bedeutung des Versuchs

Der erste wichtige Schritt in die Quantenphysik ist die Erkenntnis, daß es genau eine feste Elementarladung gibt. Hinweise dafür fanden sich z.B. schon in der Chemie: man braucht für die Elektrolyse einer bestimmten Stoffmenge immer den gleichen Strom. Der Proportionalitätsfaktor könnte jedoch auch nur ein Mittelwert vieler nicht exakt gleich geladener Teilchen sein. Erst mit dem Millikan-Experiment kann man die Elementarladungen tatsächlich abzählen. Robert Millikan stellte es 1909 in der Arbeit The isolation of an ion, a precision measurment of its charge and the correction of Stokes law vor. Damit war der Zweifel aber noch nicht vollständig begraben: Drei Jahre lang tobte ein heftiger Disput mit dem österreicher Physiker Felix Ehrenfeld, der mit dem gleichen Aufbau eindeutige Hinweise auf Subelektronen mit Teil-Elementarladungen gefunden haben wollte. Erst 1913 brachte Millikan seinen Rivalen zum Schweigen: Er veröffentlichte einen Artikel mit neuen, erschlagenden Meßdaten[*] und wurde unzweifelhaft anerkannt. Für den Nachweis der Ladungsquantelung erhielt Millikan 1923 den Nobelpreis.

Prinzip

Beim Millikan-Experiment wird Öl zwischen zwei horizontale Kondensatorplatten gesprüht. Beim Zerstäuben erhalten die Tröpfchen Ionisierungen von jeweils einigen Elementarladungen. Der Einfluß der Gravitation zieht die Tröpfchen abwärts, durch ein geeignetes elektrisches Feld jedoch kann man die Tröpfchen auch aufwärts driften oder schweben lassen. Vergleicht man die verschiedenen Bewegungen läßt sich die reine elektrische Kraft und damit die Ladung eines Tröpfchens sehr genau bestimmen.

Theorie

Im folgenden geben wir kurz die Herleitung der nötigen Formeln wieder.

Kräfte auf ein Tröpfchen

In der Millikankammer wirken auf ein Öltröpfchen der Masse mOel und der Ladung q folgende Kräfte:

Dabei ist mLuft die Masse der verdrängten Luft. Für einen Körper der Dimension der Öltröpfchen ist dabei die Viskosität so entscheidend, daß er nicht beschleunigt fällt oder steigt, sondern mit konstanter Geschwindigkeit driftet.

Mögliche Szenarien

Um aus dem Verhalten der Öltröpfchen die reine Coulombkraft auszurechnen, muß man zwei der folgenden Szenrien vergleichen:

Feldfreies Fallen

Sinkt das Tröpfchen im feldfreien Raum so gilt das Kräftegleichgewicht FG - Fauf - FStokes = 0[*]:

$\displaystyle {\textstyle\frac{4}{3}}$$\displaystyle \pi$r3($\displaystyle \underbrace{\rho _{Oel}-\rho _{Luft}}_{\rho }^{}\,$) - 6$\displaystyle \pi$r$\displaystyle \eta$ . vFall = 0

Mit der Definition $ \rho$ = $ \rho_{Oel}^{}$ - $ \rho_{Luft}^{}$ erhält man für r :

r = $\displaystyle \sqrt{\frac{9\eta \cdot v_{Fall}}{2\rho g}}$ (1)

Aufwärtsdriften

Legt man am Kondensator (Plattenabstand d) eine Spannung U an, erhält für das steigende Tröpfchen FG - Fauf - FCoul + FStokes = 0, also

$\displaystyle {\textstyle\frac{4}{3}}$$\displaystyle \pi$$\displaystyle \rho$r3g - q$\displaystyle {\frac{U}{d}}$ + 6$\displaystyle \pi$r$\displaystyle \eta$ . vSteig = 0 (2)

Schweben

Entsprechend gilt, falls das Tröpfchen gerade in der Schwebe gehalten wird ( vsteig = 0):

$\displaystyle {\textstyle\frac{4}{3}}$$\displaystyle \pi$$\displaystyle \rho$r3g - q$\displaystyle {\frac{U}{d}}$ = 0 (3)

Strategien zur Ladungsbestimmung

Die Ladung eines Öltröpfchens läßt sich nun mit zwei Vorgehensweisen ermitteln:

Durch Messung der Schwebespannung und der Fallgeschwindigkeit

Setzt man Gleichung (1) in die Kräftebilanz Gleichung (3) ein, erhält man für q

q = $\displaystyle {\frac{6\pi d\eta \cdot v_{Fall}}{U}}$ . $\displaystyle \sqrt{\frac{9\eta \cdot v_{Fall}}{2\rho g}}$ (4)

Mit Zahlenwerten für $ \eta$, d, und $ \rho$ ergibt sich

q = $\displaystyle {\frac{v^{3/2}_{Fall}}{U}}$ . 2 . 10-10As (5)

Durch Messung der Steiggeschwindigkeit bei fester Spannung und der Fallgeschwindigkeit

Analog erhält man, setzt man Gleichung (1) in (2) ein:

q$\displaystyle {\frac{U}{d}}$ = 6$\displaystyle \pi$$\displaystyle \eta$ . vsteig . $\displaystyle \sqrt{\frac{9\eta \cdot v_{Fall}}{2\rho g}}$ + $\displaystyle {\textstyle\frac{4}{3}}$$\displaystyle \pi$$\displaystyle \rho$g . $\displaystyle \sqrt{\frac{9\eta \cdot v_{Fall}}{2\rho g}}$3

vereinfacht

q = $\displaystyle {\frac{18\pi d}{\sqrt{2\rho g}}}$$\displaystyle \eta^{3/2}_{}$ . (vFall + vsteig)$\displaystyle {\frac{\sqrt{v_{Fall}}}{U}}$ (6)

und mit Zahlenwerten

q = (vFall + vsteig)$\displaystyle {\frac{\sqrt{v_{Fall}}}{U}}$ . 2 . 10-10As (7)

Korrektur der Stokes'schen Viskosität

In der Herleitung der bisherigen Formeln wurde für die Luftreibung die Stokessche Viskosität angenommen. Diese gilt aber nur für größere Körper exakt. Die Öltröpfchen haben jedoch Radien in der Größenordnung 10-6m - das liegt im Bereich der freien Weglänge der Luftmoleküle. Damit muß die Viskosität korrigiert werden:

$\displaystyle \eta$ = $\displaystyle \eta_{0}^{}$ . $\displaystyle {\frac{1}{1+\frac{b}{rp}}}$

dabei ist p der Luftdruck, b eine experimentelle Größe von 6.33 . 10-5mbar . m. Nach beiden Meßverfahren ist q $ \propto$ $ \eta^{\frac{3}{2}}_{}$. Damit läßt sich q direkt korrigieren:

qk = $\displaystyle {\frac{q_{0}}{\left( 1+\frac{b}{rp}\right) ^{3/2}}}$ (8)

Dabei benutzen wir als Näherung für den Radius r - wie von Messelinos [1] empfohlen - den nach der unkorrigierten Gleichung 1 ermittelten Wert.

Fehlerbetrachtung

Wir verwenden einige vorgegebene Zahlenwerte, deren Fehler wir schwer abschätzen können. Man kann jedoch davon ausgehen, daß diese Zahlen im Vergleich mit unseren Messungen als exakt angesehen werden können, auch wenn sie teilweise von den örtlichen Gegebenheiten abhängen. Wir rechtfertigen das im einzelnen:

Wir werden uns also nur mit unseren Meßfehlern befassen.

Fehler der Geschwindigkeiten:

Aus v = $ {\frac{s}{t}}$ folgt direkt die Fehlerfortpflanzung

$\displaystyle \Delta$v = $\displaystyle \sqrt{\left( \frac{\Delta s}{t}\right) ^{2}+\left( -\frac{s\cdot \Delta t}{t^{2}}\right) ^{2}}$ (9)

Fehler der Ladung nach Formel 7

Zur Dokumentation zunächst die partiellen Ableitungen von Gleichung 7:

$\displaystyle {\frac{\partial q}{\partial v_{steig}}}$ = $\displaystyle {\frac{\sqrt{v_{fall}}}{U}}$ . 2 . 10-10As  
$\displaystyle {\frac{\partial q}{\partial v_{fall}}}$ = $\displaystyle \left(\vphantom{ \sqrt{v_{Fall}}+\frac{1}{2\sqrt{v_{fall}}}\left( v_{fall}+v_{steig}\right) }\right.$$\displaystyle \sqrt{v_{Fall}}$ + $\displaystyle {\frac{1}{2\sqrt{v_{fall}}}}$$\displaystyle \left(\vphantom{ v_{fall}+v_{steig}}\right.$vfall + vsteig$\displaystyle \left.\vphantom{ v_{fall}+v_{steig}}\right)$$\displaystyle \left.\vphantom{ \sqrt{v_{Fall}}+\frac{1}{2\sqrt{v_{fall}}}\left( v_{fall}+v_{steig}\right) }\right)$ . $\displaystyle {\frac{1}{U}}$ . 2 . 10-10As  
$\displaystyle {\frac{\partial q}{\partial U}}$ = - (vfall + vsteig) . $\displaystyle {\frac{\sqrt{v_{fall}}}{U^{2}}}$ . 2 . 10-10As  

Zusammengesetzt ergibt sich für den Fehler von q

$\displaystyle \Delta$q = $\displaystyle \left[\vphantom{ v_{fall}\cdot \Delta v_{steig}^{2}+\left( \sqrt{...
...ac{v_{fall}+v_{steig}}{2\sqrt{v_{fall}}}\right) ^{2}\Delta v_{fall}^{2}}\right.$vfall . $\displaystyle \Delta$vsteig2 + $\displaystyle \left(\vphantom{ \sqrt{v_{fall}}+\frac{v_{fall}+v_{steig}}{2\sqrt{v_{fall}}}}\right.$$\displaystyle \sqrt{v_{fall}}$ + $\displaystyle {\frac{v_{fall}+v_{steig}}{2\sqrt{v_{fall}}}}$$\displaystyle \left.\vphantom{ \sqrt{v_{fall}}+\frac{v_{fall}+v_{steig}}{2\sqrt{v_{fall}}}}\right)^{2}_{}$$\displaystyle \Delta$vfall2
  + $\displaystyle \left.\vphantom{ \left( v_{fall}+v_{steig}\right) ^{2}\frac{v_{fall}}{U^{2}}\Delta U^{2}}\right.$$\displaystyle \left(\vphantom{ v_{fall}+v_{steig}}\right.$vfall + vsteig$\displaystyle \left.\vphantom{ v_{fall}+v_{steig}}\right)^{2}_{}$$\displaystyle {\frac{v_{fall}}{U^{2}}}$$\displaystyle \Delta$U2$\displaystyle \left.\vphantom{ \left( v_{fall}+v_{steig}\right) ^{2}\frac{v_{fall}}{U^{2}}\Delta U^{2}}\right]^{1/2}_{}$ . $\displaystyle {\frac{1}{U}}$ . 2 . 10-10As
(10)

Fehler des Teilchenradius

Aus Gleichung 1 ergibt sich die Fehlerformel

$\displaystyle \Delta$r = $\displaystyle \sqrt{\frac{9\eta }{2\rho g}}$ . $\displaystyle {\frac{1}{2\sqrt{v_{Fall}}}}$ . $\displaystyle \Delta$vfall (11)

Fehler der korrigierten Ladung

Die Fehlerfortpflanzung für Gleichung 8 ergibt

$\displaystyle \Delta$qk = $\displaystyle \left[\vphantom{ \frac{1}{\left( 1+\frac{b}{rp}\right) ^{3}}\Delt...
...{2}q_{0}^{2}}{4p^{4}r^{2}\left( 1+\frac{b}{rp}\right) ^{5}}\Delta p^{2}}\right.$$\displaystyle {\frac{1}{\left( 1+\frac{b}{rp}\right) ^{3}}}$$\displaystyle \Delta$q20 + $\displaystyle {\frac{9b^{2}q_{0}^{2}}{4p^{2}r^{4}\left( 1+\frac{b}{rp}\right) ^{5}}}$$\displaystyle \Delta$r2 + $\displaystyle {\frac{9b^{2}q_{0}^{2}}{4p^{4}r^{2}\left( 1+\frac{b}{rp}\right) ^{5}}}$$\displaystyle \Delta$p2$\displaystyle \left.\vphantom{ \frac{1}{\left( 1+\frac{b}{rp}\right) ^{3}}\Delt...
...{4}r^{2}\left( 1+\frac{b}{rp}\right) ^{5}}\Delta p^{2}}\right]^{\frac{1}{2}}_{}$ (12)

Gewichteter Mittelwert

Um aus den Einzelmessungen qi±$ \Delta$qi ein gemeinsames Ergebnis zu erhalten, bilden wir den gewichteten Mittelwert der Ladung. Die Formel ist

$\displaystyle \overline{q}$ = $\displaystyle {\frac{\sum \frac{q_{i}}{\Delta q_{i}^{2}}}{\sum \frac{1}{\Delta q_{i}^{2}}}}$ (13)

Für den Fehler des Mittelwertes gilt

$\displaystyle \Delta$$\displaystyle \overline{q}$ = $\displaystyle \sqrt{\frac{1}{\sum \frac{1}{\Delta q_{i}^{2}}}}$ (14)

Durchführung

Qualitativer Nachweis der Quantelung

Zunächst wollen wir die Existenz eines ,,kleinsten Ladungsbestandteiles`` nachweisen. Dazu sollen uns zehn Messungen genügen, ohne daß wir dabei die Korrektur der Viskosität berücksichtigen.

Wir werden die Methode, die Gleichung (6) ausnutzt verwenden - also ,,Messung der Fallgeschwindigkeit bei fester Spannung und der Fallgeschwindigkeit``. Bei der Messung ist zu beachten, daß durch die Vergrößerung jeder Skalenteil des Mikrometers einer Strecke von $ {\frac{1}{1.875}}$ . 10-4m entspricht.

Unsere Messungen halten wir in Tabelle 1 fest. Dabei nehmen wir konstant an:

Genauere Messung der Elementarladung

Zahlenwerte

Größe
Wert
Viskosität der Luft $ \eta$ = 1.81 . 10-5$ {\frac{Ns}{m^{2}}}$
Dichte des Öls $ \rho_{Oel}^{}$ = 875.3$ {\frac{kg}{m^{3}}}$
Dichte der Luft $ \rho_{Luft}^{}$ = 1.29$ {\frac{kg}{m^{3}}}$
$ \Rightarrow$Effektive Dichte $ \rho$ = 874$ {\frac{kg}{m^{3}}}$

Benutztes Material

Millikankammer

Millikangerät Degussa 559 41
Millikankammer Durchmesser 8cm
Kondensator Plattenabstand d = 6mm = 6 . 10-3m
Mikroskop Skaleneinteilung 10-4m
  Objektivvergrößerung 1.875
  Okularvergrößerung 10

Netzgerät / Drehspulinstrument

Netzgerät Degussa 559 42
Spannungsversorgung für Plattenkondensator 0..600V
Drehspulinstrument Meßbereich 600V $ \equiv$
  Güteklasse 2.5
  Skaleneinteilung 10V

Stoppuhren

Elektrische Stoppuhren im Takt $ {\frac{1}{100}}$s, getaktet durch den Netzstrom

Bibliography

1
Adrian C. Melissinos: Experiments in Modern Physics

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Nachweis und Messung der Elementarladung

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The command line arguments were:
latex2html Millikan.tex -html_version 3.2,math -split 1

The translation was initiated by Ingolf Jandt on 2002-03-19


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Ingolf Jandt 2002-03-19